Das Konzept ist unten auf der Seite auch als PDF in der Schriftart OpenDyslexic verfügbar.
Inhaltsverzeichnis
- Was bedeutet für uns Awareness?
1.1. Kurze einleitende Definitionen
1.2. Awareness im Mainusch - Konsensvereinbarungen
2.1 Voneinander lernen, ohne dabei zu verletzen
2.2 Community Care und Betroffenenunterstützung
2.3 Was tun in Gewalt- und Gefahrensituationen?
2.4 Wie damit umgehen, wenn Polizei auftaucht?
2.5 Oben-Ohne
2.6 Drogenkonsum
2.7 Fotos und Videos - Infrastruktur
3.1 Toiletten
3.2 Zugänge und Gelände
- Was bedeutet für uns Awareness?
1.1 Kurze einleitende Definitionen
Awareness bedeutet übersetzt soviel wie Achtsamkeit, Aufmerksamkeit oder auch Bewusstheit. Es geht darum, einen Raum zu schaffen, in dem sich alle möglichst wohlfühlen können. Vor allem bedeutet dies aber, sich mit bestehenden Macht-, Unterdrückungs- und Dominanzstrukturen auseinanderzusetzen, dafür zu sensibilisieren und sie aufzubrechen.
Dabei finden wir es wichtig zu betonen, dass Awareness ein Thema ist, dass uns alle angeht und nicht nur Aufgabe eines Awareness-Teams ist. Wir alle tragen zu einem achtsamen bzw. unachtsamen Umgang miteinander bei.
Zentral für das Thema Awareness ist das Konsensprinzip. Konsens bedeutet, dass Handlungen und Gespräche im gegenseitigen Einverständnis stattfinden. Wenn du mit einer Person interagierst, achte darauf, ob sie dir (verbal oder nonverbal) signalisiert, ob sie diese Art der Interaktion eingehen will. Dabei ist es wichtig, darauf zu achten, ob die Person in der Lage ist Konsens zu geben. In Situationen mit Druck, Drogenkonsum oder in emotionalen Ausnahmezuständen kann es sein, dass Menschen keinen Konsens geben können. Generell gilt: Nur ein (freiwilliges) Ja ist ein Ja! Wenn du dir nicht sicher bist, ob etwas okay ist, frag vorher nach!
1.2 Awareness im Mainusch
Um einen diskriminierungssensiblen Raum zu schaffen, haben wir eine Awareness-Struktur und Vereinbarungen erarbeitet: Diese sind dauerhaft bestehende Strukturen des Mainusch. Wenn ihr eine Veranstaltung organisieren oder euch im Mainusch aufhalten wollt, ist es uns wichtig, dass ihr unsere Vereinbarungen ernst nehmt und euch damit identifizieren könnt.
Mit dem Awareness-Konzept möchten wir eine Struktur schaffen, welche Grenzverletzungen und Ausschlüsse aufgrund von Diskriminierung im Haus Mainusch verhindern soll. Dennoch ist uns bewusst, dass Grenzverletzungen und Ausschlüsse immer wieder und auch bei uns stattfinden. Momentan ist das Mainusch ein für viele Diskriminierungsformen exklusiver Raum – aufgrund von Sprache, Veranstaltungsangeboten oder räumlichen Barrieren. Wir haben den Wunsch uns dieser Ausschlüsse bewusst zu werden und daran zu arbeiten, sie abzubauen.
Daher brauchen wir ein Konzept, wie wir gemeinschaftlich lernen, ausschließende Strukturen abzubauen und mit Grenzverletzungen umzugehen. Das hinzubekommen ist nicht immer leicht und wir haben auch keine allgemeingültige Antwort darauf. Wir möchten uns während des Prozesses jedoch an dem Nachfolgenden orientieren und das als Grundlage für die Aufarbeitung von grenzverletzenden Situationen und Ausschlüssen im Mainusch nehmen. Die Awareness-Struktur des Mainusch ist damit kein abgeschlossenes Konzept und wir sind bemüht es ständig weiterzuentwickeln, um es mehr Menschen zu ermöglichen, hier zu sein und sich wohl zu fühlen.
Zusätzlich zu der Haus-Struktur ist es für uns wichtig, dass eine extra Awareness-Struktur für Veranstaltungen aufgebaut wird.
Wir sind auf dem Haus-Plenum sowie per Mail ansprechbar für Rückmeldungen zu unseren Awareness-Strukturen und bieten gerne Unterstützung an, solltest du eine übergriffige oder diskriminierende Situation im Haus Mainusch (-Kontext) erlebt haben.
E-Mail:
• Allgemeine Kontaktadresse bei Gesprächsbedarf oder bei Fragen oder Rückmeldungen zu unseren Awareness-Strukturen:
awareness-mainusch@systemli.org
• FLINTA*-Kontaktadresse bei Gesprächsbedarf wenn als Ansprechsperson eine FLINTA* Person gewünscht ist:
flinta-mainusch@systemli.org
Deine Mail wird von einem kleinen Kreis an Awareness-Ansprechpersonen gelesen und vertraulich behandelt. Die FLINTA* Mail-Adresse wird selbstverständlich nur von FLINTA* Personen betreut.
- Konsensvereinbarungen:
2.1 Voneinander lernen ohne dabei zu verletzen
Es ist uns wichtig, einen achtsamen Umgang miteinander zu pflegen. Achte deswegen auf deine Sprache, wenn du mit oder von Menschen sprichst und erfrage wie Menschen angesprochen werden möchten (Namen, Pronomen usw.).
Uns ist es wichtig, ein Bewusstsein dafür zu entwickeln, dass Menschen von verschiedenen Themen unterschiedlich betroffen sind. Wenn es um potentiell sensible Themen geht wie zB. Gewalterfahrungen oder Drogenkonsum, dann achte darauf, ob es für alle Mithörenden gerade passt, dass diese Themen angesprochen werden.
Wir wollen lernen verantwortungsvoll mit unseren Privilegien umzugehen und uns gegenseitig auf unser diskriminierendes Verhalten hinweisen. Einerseits wollen wir Reflexionsprozesse fördern. Andererseits ist es uns wichtig, dass Menschen, die von Diskriminierung betroffen sind, sich möglichst wohl fühlen können.
Wenn wir also auf diskriminierendes Verhalten hingewiesen werden, dann wollen wir nicht in eine Abwehrhaltung gehen, sondern darüber nachdenken und die Situation gegebenenfalls mit Freund*innen besprechen, um sie besser zu verstehen.
Wir behalten uns vor, von unserem Hausrecht Gebrauch zu machen und Personen, die rechten Parteien oder Organisationen angehören, der rechten Szene zuzuordnen sind oder durch menschenverachtende Äußerungen/Handlungen in Erscheinung getreten sind, den Zutritt zum Gelände zu verwehren oder von diesem auszuschließen. Dazu gehören auch Menschen, die als Mitglieder von Vereinigungen erkenntlich sind, die Menschen aufgrund ihres Geschlechts, ihrer Herkunft etc. ausschließen oder diskriminieren.
2.2 Community Care und Betroffenenunterstützung
Wenn der Konsens (zur Definition von Konsens siehe 1.1) von Menschen übergangen wird, passieren Grenzüberschreitungen. Wir möchten Menschen unterstützen, die Grenzüberschreitungen erlebt haben und dafür sorgen, dass diese nicht wieder passieren.
Uns ist zunächst wichtig, Betroffene zu unterstützen und zu ermutigen. Dafür ist die Anerkennung der persönlichen Wahrnehmung der betroffenen Person unbedingt notwendig. Betroffene definieren selbst, wie sie Situationen erleben, was diese in ihnen ausgelöst und wann Grenzüberschreitungen stattgefunden haben. Die Situationen werden nicht vermeintlich „objektiv“ beurteilt oder in Frage gestellt. Grenzüberschreitungen als solche zu erkennen und zu benennen ist für Betroffene oft nicht leicht. Es ist jedoch ein wichtiger Moment der Stärkung und Verarbeitung. Zunächst ist es wichtig den Druck für Betroffene aus der Situation zu nehmen. Außerdem sollte keine betroffene Person irgendwem Details mitteilen müssen. Details sind nicht nötig, um Unterstützung zu bekommen.
Mit dieser Vorgehensweise wollen wir nicht die Übernahme der Definition der betroffenen Personen fordern, sondern es sollte zuerst um eine Anerkennung von deren Wahrnehmung – also ein Problembewusstsein – gehen.
Bei Grenzüberschreitungen hat die Unterstützung von Betroffenen die oberste Priorität. Es ist wichtig, einen Raum zu schaffen, in dem Betroffene Bedürfnisse äußern können und gehört werden. Betroffene sollen entscheiden können, welchen Umgang sie sich mit der Situation wünschen.
Außerdem ist uns je nach Kapazität/Situation auch der Umgang mit grenzübertretenden Personen wichtig, weil wir darin Chancen für Denk-, Lernanstöße und Verhaltensänderungen sehen. Wir wollen dafür sorgen, dass Grenzverletzungen nicht wieder passieren. Der Prozess der Unterstützungsarbeit darf darunter jedoch nicht leiden.
Betroffene sollen entscheiden können, welchen Umgang sie sich mit der Situation wünschen und wie viel sie im Aufarbeitungsprozess miteinbezogen werden. Dabei ist es in Ordnung, wenn Betroffene sich mit dem Vorfall nicht mehr auseinandersetzen wollen. Wir sehen die Aufarbeitung von Grenzverletzungen als eine gemeinschaftliche Aufgabe, die von Verbündeten auch ohne die Teilnahme von Betroffenen stattfinden kann.
Bei der Aufarbeitung der Situation geht es NICHT um Strafe für die grenzüberschreitende Person (auch wenn einige nötige Maßnahmen durchaus als solche empfunden werden können), sondern darum einen Schutzraum für die betroffenen Personen zu schaffen. Die grenzüberschreitende Person ist verantwortlich für ihr Verhalten. Dennoch wollen wir uns fragen: Welche (gesellschaftlichen) Strukturen haben dieses Verhalten begünstigt, legitimiert oder attraktiv gemacht und wie können wir diese verändern?
2.3 Was tun in Gewalt- und Gefahrensituationen?
Dafür haben wir eine Liste mit Tipps zum Umgang mit verschiedenen Notsituationen und Kontaktadressen erstellt. Sollten die Sicherheitsstrukturen des Hauses nicht ausreichend sein, kann es notwendig werden, die Polizei zu rufen. Da die Polizei nicht allen Menschen gleichermaßen hilft und für viele sogar eine Gefahr darstellt, ist uns der Aufbau alternativer Sicherheitsstrukturen wichtig.
2.4 Wie damit umgehen, wenn Polizei auftaucht?
Die Polizei ist eine der staatlichen Gewalten und Repressionsorgane. Da wir uns als Zentrum gegen bestehende Macht- und Herrschaftsstrukturen stellen und ein Raum für alle sein wollen, ist Polizei auf dem Gelände unerwünscht.
Falls eine von Gewalt betroffene Person die Polizei hinzuziehen möchte um beispielsweise Anzeige zu erstatten, kann sie das trotzdem tun. Wir bieten Betroffenen an, alternativ einen gemeinsamen Umgang mit dem Vorfall zu finden, und weisen darauf hin, dass Betroffene von der Polizei häufig nicht gut behandelt werden, sowie auf mögliche Konsequenzen für andere Personen. Wir versuchen damit allerdings nicht, Betroffene von ihrer Entscheidung abzubringen. Wenn möglich versuchen wir, Betroffene im Kontakt mit der Polizei zu unterstützen. Der Kontakt mit der Polizei sollte außerhalb des Haus Mainusch stattfinden.
Sollte die Polizei vorbeikommen, weisen wir diese freundlich darauf hin, dass das Gelände ohne richterlichen Beschluss nicht betreten werden darf. Wir lassen uns in keine Gespräche verwickeln. Sollten wir uns der Situation nicht gewachsen fühlen, achten wir auf uns und ziehen uns zurück. Falls es uns möglich ist, informieren wir Veranstaltende, das Awarenessteam oder Anwesende von der Anwesenheit der Polizei.
2.5 Oben-Ohne
Das Haus Mainusch ist ein Raum frei von nackten Oberkörpern!
Das Privileg, den Oberkörper zu entblößen, haben in dieser Gesellschaft nicht alle. Zeigen sich Menschen mit weiblich gelesenem Oberkörper oben ohne, wird das häufig als ein Übertritt von gesellschaftlichen Normen wahrgenommen oder sexualisiert. Dies trifft besonders Menschen, die nicht den Schönheitsidealen unserer Gesellschaft entsprechen, queer oder behindert sind. Dies kann in Deutschland sogar zur strafrechtlichen Verfolgung führen.
Die gleichen patriarchalen Strukturen, die cis Männern die Möglichkeit geben, sich angstfrei auszuziehen, sind dafür verantwortlich, dass FLINTA* Angst davor haben müssen. Aus Solidarität ist es uns darum wichtig, dass sich gerade cis Männer nicht oben ohne auf dem Haus-Gelände aufhalten.
Alternativen und Umgangsmöglichkeiten:
-Sprecht Künstler*innen vor der Show auf diese Regelung an
-Menschen können sich ihre Nippel abkleben
-Bietet Bands/Künstler*innen Wechsel-T-Shirts an
2.6 Drogenkonsum
Menschen, die Drogen (wie z.B. Alkohol, Tabak oder Gras) konsumieren wollen, sollten dies freiwillig (ohne Druck von außen) machen und vorher die Möglichkeit gehabt haben, sich über Wirkung, Risiken, Safer-Use-Hinweise, Substanzwarnungen und Erfahrungsberichte zu informieren.
Bevor wir konsumieren, bemühen wir uns um eine Person, die von unserem Konsum weiß und falls nötig auf uns acht gibt. Dies gilt besonders für Alkohol und ist wichtig, um die Freiwilligkeit der Carearbeit zu gewährleisten.
Bei Kneipen, Konzerten und ähnlichen Veranstaltungen kommuniziert die Thekenschicht mit der Awareness-Struktur und kann entscheiden, Menschen keinen Alkohol mehr auszuschenken zB. bei Menschen, die die eigenen Grenzen sowie die von anderen nicht mehr wahrnehmen.
Besonders außerhalb von größeren Veranstaltungen, wie Kneipen, Partys und Konzerten, kann nicht vorausgesetzt werden, dass alle Anwesenden auf den Konsum von Substanzen eingestellt sind. Offener Konsum kann in anderen Unwohlsein, Suchtdruck oder Erinnerungen hervorrufen. Achtet beim Konsum also darauf, dass alle Anwesenden damit einverstanden sind oder zieht euch entsprechend zurück. Besonders beim Rauchen ist sowohl in Innen- als auch Außenräumen auf Umstehende zu achten und vorerst nachzufragen.
Infos zu verschiedenen Substanzen und Tipps zu Erster-Hilfe im Notfall findet ihr online bei Drugscouts.
2.7 Fotos und Videos
Fotografieren ist grundsätzlich erlaubt. Allerdings ist es wichtig, dass alle Personen, die auf einem Foto/Video landen könnten, vorher gefragt werden und dem zustimmen. Es ist noch wichtiger, dass alle erkennbaren Personen einverstanden sind, wenn Fotos/Videos im Internet veröffentlicht werden sollen. - Infrastruktur
3.1 Toiletten
Unsere Toiletten sind nicht allen Menschen zugänglich. Die Kabinen sind eng und nur über einige Stufen erreichbar. Bei den Toiletten handelt es sich um All-Gender-Welcome-Toiletten (unisex). Das bedeutet, dass alle Personen unabhängig ihres Geschlechts die Toiletten nutzen können. Dadurch wollen wir verhindern, dass sich Menschen beim Toilettengang einem Gender zuordnen müssen oder von Toiletten ausgeschlossen sind.
Gleichzeitig können All-Gender-Welcome-Toiletten für FLINTA*s auch ein Angst-erfüllter Ort sein, da es auch zu einem Ort der Belästigung und der sexualisierten Übergriffe werden kann. Seid euch dem bewusst und achtet aufeinander.
3.2 Zugänge und Gelände
Das Gelände ist nicht allen Menschen zugänglich. Der Eingang zum Hauptgebäude ist eng und nur über eine Treppe erreichbar. Die Zugänge zum Garten und zum Anbau sind ebenerdig, jedoch ist der Untergrund sehr uneben, mit Wurzeln und Umrandungsmauern.