Warum wir unsere Teilnahme am Kritischen Semesterstart zurückziehen

Warum wir unsere Teilnahme am Kritischen Semesterstart zurückziehen

Wir haben uns dazu entschlossen, unsere Teilnahme an der Veranstaltungsreihe des Kritischen Semesterstarts (KriSe) kurzfristig abzusagen. Stattdessen werden wir unsere Veranstaltungen unabhängig davon durchführen.

Der Grund dafür sind Statements von einzelnen bei KriSe vertretenen Gruppen zum Terrorangriff der Hamas und ihrer Verbündeter auf Israel, die in der letzten Woche veröffentlicht wurden. Hierbei wurden Aussagen getätigt, die es für uns unmöglich machen, als Mainusch unwidersprochen Teil derselben Veranstaltungsreihe zu sein.

Wir können und wollen mit diesem Statement keine umfassende Einordnung und Kommentierung der jüngsten Ereignisse in Nahost liefern. Dazu halten wir die Situation für viel zu komplex. Das Lagerdenken Anti-Deutsch/Anti-Imperialistisch wird dieser Komplexität ebenfalls in keinster Weise gerecht und verstört uns umso mehr im Angesicht der Bilder aus Israel, Gaza, der ganzen Region und auch der Geschehnisse, die dem in Deutschland folgen – das Abfeiern von Gewalt und die Fortsetzung dieser gegenüber Jüd*innen, die noch gefährdeter sind als zuvor. Ebenso werden muslimische Menschen kollektiv in Haftung genommen für die Verbrechen der Hamas.
Wir erleben die Verherrlichung von Gewalt und Grausamkeiten, auch in unserem politischen Umfeld. Wir hätten nicht erwartet, dass Personen und Gruppen, trotz aller politischer Differenzen und problematischer Worte und Taten in der Vergangenheit, einen Pogrom feiern. Das ist widerwärtig und absolut unverständlich.

Trotzdem wollen wir versuchen, eine Kritik an einigen Aussagen zu formulieren. Damit soll auch nicht alles in einen Topf geworfen werden, weder die einzelnen Gruppen, noch die Statements mit allen Menschen aus diesen Gruppen. Es geht uns um die Kritik an Aussagen und Narrativen, die so oder so ähnlich gerade an vielen Stellen zu lesen sind, und eine Auseinandersetzung damit.

So mussten wir beispielsweise von der SDAJ auf Bundesebene von einem „Raum, in dem das palästinensische Volk legitimen Widerstand leistet“ (1) lesen, wobei der ‚historische Kontext‘ der israelischen Politik dazu dient, das Massaker an der israelischen Bevölkerung zu rechtfertigen und zu heroisieren. In keinem Satz finden wir hier eine Abgrenzung davon.

Auch der SDS-Bundesvorstand schlägt in die gleiche Kerbe, wenn er schreibt, dass durch den Angriff auf die israelische Zivilbevölkerung den Menschen in Gaza „erstmals der Ausbruch aus dem Freiluftgefängnis gelungen [ist], was für viele Palästinenser*innen überhaupt eine Möglichkeit des Widerstands gegen die Unterdrücker bedeutet hat.“ (2) Dass im Folgenden „Gräueltaten und Kriegsverbrechen“ (2) verurteilt werden und sich von der Hamas distanziert wird, ändert nichts an der relativierenden und verharmlosenden Implikation einer solchen Aussage. Die Überwindung der Gaza-Israel-Grenzen zielte erklärterweise darauf ab, Geiseln zu nehmen und Israelis zu töten – angeführt von eben jener islamistisch-judenfeindlichen Hamas, die an der Unterdrückung von Palästinenser*innen massiv beteiligt ist und jeglichen Friedensprozess ablehnt (3). Wir finden es falsch und gefährlich, für jegliche Gewalteskalation des Konflikts und für die Herrschaft der Hamas in Gaza die volle Schuld und Verantwortung allein in israelischer Politik zu suchen und damit monokausal zu ‚erklären‘.

Ähnliches findet sich in der Stellungnahme des Bundesvorstands der „Jugend für Sozialismus“ (4).

Die Ortsgruppe Frankfurt von Pride Rebellion solidarisiert sich mit Samidoun (5), einem der PFLP nahestehenden Verein. Die PFLP (Popular Front for the Liberation of Palestine; Volksfront zur Befreiung Palästinas), die sich als säkular und marxistisch begreift, hat zusammen mit ihren ‚Genoss*innen‘ von Hamas und Islamischer Dschihad am Massaker teilgenommen bzw. ruft dazu auf, es ihnen gleichzutun (6).

Sollten Mitglieder der Mainzer Ortsgruppen hierzu eine andere Meinung vertreten, wäre eine Klarstellung dringendst geboten.

Allgemein sind wir schockiert von Äußerungen, die versuchen, den von der antisemitischen und religiös-fundamentalistischen Hamas sowie ihrer nicht weniger antisemitischen Kompliz*innen durchgeführten Angriff auf Menschen in Israel irgendwie in die Nähe freiheitlicher Bestrebungen zu rücken. Die Vorgehensweise der Hamas und ihrer Verbündeter nimmt dabei ganz bewusst eskalierendes Leid und die Tötung von Palästinenser*innen in Kauf, um diese als ‚Märtyrer‘ gegen Israel zu instrumentalisieren. Gewalt gegen wehrlose Menschen, ob in Israel, Gaza oder sonstwo, und egal von wem sie ausgeht, ist für uns kein Grund zum feiern.

Uns ist deutlich geworden, dass – in der kurzen Zeit bis zum Beginn der Veranstaltungsreihe – keine tiefergehende kritische Auseinandersetzung im Bündnis möglich ist. Bei den meisten teilnehmenden Gruppen sind wir jedoch zuversichtlich, in Zukunft Kooperationen eingehen zu können, die auf einem gemeinsamen Grundkonsens basieren, und in denen wir uns als emanzipatorische Strukturen in Mainz gegenseitig unterstützen und vernetzen können. Dies setzt natürlich auch eine Bereitschaft der anderen Gruppen zu einem solchen Prozess voraus.

Wir haben keinen Bock auf unreflektierte und undifferenzierte Scheiße, die Antisemitismus, Rassismus, religiösen Fundamentalismus und Autoritarismus befeuert oder sich gar mit einem eliminatorischen Antisemitismus solidarisiert.

Es ist uns wichtig zu betonen, dass dieses Statement (aufgrund der Kürze der Zeit und auch aufgrund der Funktionsweise des Hauses) nicht ‚das Mainusch‘ als Kollektiv, oder alle Menschen die dort in irgendeiner Form aktiv sind, repräsentieren kann.

Die Auseinandersetzung mit dem Thema ist für uns ein andauernder Prozess. Wir sind nicht damit fertig und wir haben die Weisheit nicht mit Löffeln gefressen. Trotzdem waren wir nicht bereit das Bündnis zu verlassen ohne unsere Gründe dafür zu veröffentlichen.

(1)
https://www.sdaj.org/2023/10/15/frieden-und-freiheit-fuer-palaestina-sofortiger-stopp-der-israelischen-besatzung/

(2)
https://linke-sds.org/statement-zur-situation-in-isreal-palaestina

(3)
siehe z.B. Hamas-Charta Artikel 13

(4)
https://jugend-fuer-sozialismus.de/beitraege/aktuelles/gaza-israel-krieg-stoppt-den-krieg-die-besatzung-und-unterdrueckung-kein-frieden-im-kapitalismus/

(5)
https://www.instagram.com/p/CyTQliuMVCR

(6)
Aufruf der PFLP (Popular Front for the Liberation of Palestine) zur Teilnahme an der sogenannten ‘Al-Aqsa-Flut’: https://www.workers.org/2023/10/73785/

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